In den ersten
Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts war Wien eins
der wichtigsten Zentren der europäischen Musik. Mit
seiner langjährigen Tradition als Magnet für
Komponisten wie Mozart und Beethoven war Wien immer schon
ein Anziehungspunkt für klassische Musik gewesen.
Aber mit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts und der
Erfindung des Waltzers durch den älteren Johann
Strauss und die Fortführung dieser Tradition durch
seinen Sohn wurde Wien auch zu einer Stätte für
volkstümliche Musik. Die diversen musikalischen
Traditionen der vielen Volksgruppen, die in Wien lebten,
haben zu der Reichhaltigkeit und Volkstümlichkeit
dieser Musik weitgehend beigetragen. Edisons Erfindung
des Phonographen von 1877 hat die Verbreitung sowohl der
klassischen als auch der volkstümlichen Musik
technologisch unterstützt, was wohl zum ersten Mal
in der Geschichte der Musik das Phänomen des
Schlagers möglich machte. Johann Strauss der
Jüngere war wohl der erste Musikstar, der bereits
1872 mit einer Konzerttournee durch Amerika reiste. Wien
war gleichzeitig aber auch die Geburtsstelle der
radikalen Zwölfton-Kompositionstechnik, die in
erster Linie von Arnold Schönberg und seinem
Schüler Alban Berg vorangetrieben wurde. Für
Richard Wagner war Musik noch eine emotionale Sprache,
die von den Gesetzen des logischen Denkens unberührt
war. Die Zwölfton Technik stellt dagegen einen
Protest gegen die gesamte musikalische Tradition dar, die
Musik als emotionale Ausdrucksform versteht. In ihr
gelten die Gesetze der mathematischen Logik, wobei das
musikalische Thema reduziert ist auf eine Komposition der
zwölf Töne, die die chromatische Tonleiter
ausmachen.
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