
Um die
Jahrhundertwende war Wien die Hauptstadt des Habsburger
Kaiserreichs, das politisch gesehen ein Überbleibsel
aus einer anderen,vorindustrialisierten und vormodernen
Welt darstellte. Der Kaiser Franz Joseph war vor
fünfzig Jahren zur Macht gekommen in den Folgen der
1848er Revolution und er sollte bis 1916 regieren. In den
zweihundert Jahren zwischen 1700 und 1910 ist die
Bevölkerung Wiens um das zwanzigfache angestiegen
von einer Einwohnerzahl von 123.000 zu weit über
zwei Millionen. Als Regierungssitz der
österreichisch-ungarischen Krone hatte Wien eine
äußerst heterogene, multi-ethnische
Bevölkerung, die aus Deutschen, Ungarn, Tschechen,
Slovaken, Kroaten, Polen, Russen und Italienern bestand,
um nur die wichtigsten Gruppen zu nennen. Von daher
könnte man sagen, dass das Wien der Jahrhundertwende
ein Prototyp eines "globalen Dorfes" darstellte und
deswegen auch von politischen Spannungen gekennzeichnet
war, die dem scharfen Satiriker Karl Kraus Anlass gaben,
von einem weltzerstörerischen Laboratorium zu
sprechen, eine Aussage, die sich fatalerweise in den
Komplikationen zum Vorabend des ersten Weltkrieges
bewahrheiten sollte, als der Thronfolger Franz Ferdinand
im Juni 1914 in Sarajevo erschossen wurde. Von 1897 bis
1910 regierte in der Stadt Wien der ausserordentlich
beliebte (und volkstümliche) Bürgermeister Karl
Lueger, der mit deutsch-nationalen und anti-semitischen
Parolen gewählt wurde. Einer von denen, die die
politische Atmosphäre des Anti-Semitismus im
damaligen Wien aufsaugte, war der junge Adolf
Hitler.
|
|