
Das Wien der
Jahrhundertwende war die europäische Hauptstadt des
literarischen Impressionismus. Was als Protest entstand
gegen den sterilen Formalismus und die übertriebene
Komplexität des Ästhetizismus, der tiefe
Wurzeln auf dem Boden der Wiener Literatur (besonders in
den Arbeiten des jungen Hugo von Hofmannsthals)
geschlagen hat, mutierte zu dem Schlagwort "simplex veri
sigillum" (das Einfache ist das Siegel der Wahrheit) in
den Worten Peter Altenbergs (Richard Engländer). Der
literarische Impressionismus experimentiert mit
sprachlich kompakten lyrischen Formen und Prosaformen:
seine Lieblingsgenres sind der Aphorismus, das
Feuilleton, die Kurzgeschichte und der Sketch.
Kennzeichnend für den literarischen Impressionismus
ist die Verschmelzung der Darstellung von den subjektiven
Gefühlen des Autors mit der objektiven,
gesellschaftlichen Realität. Äussere
Anlässe sind oft nur Vorwand für die Erkundung
subjektiver Gefühle und Einstellungen. "Reporter der
Seele" hiess ein bekanntes Buch aus der Zeit, das das
Programm des literarischen Impressionismus gut
wiedergibt. Stilistisch gesprochen ist der literarische
Impressionismus von einem knappen, quasi telegraphischen
Sprachgebrauch gekennzeichnet, der mit Worten spielt und
auf Witz und Humor setzt. In der Prosa ist der
literarische Impressionismus am besten durch die Autoren
Peter Altenberg, Karl Kraus und Alfred Polgar vertreten.
Alfred Schnitzler hat den Lebenstil der Wiener
Jahrhundertwende in zahlreichen Theaterstücken wie
beispielsweise in "Liebelei," "Reigen" und "Anatol"
festghalten.
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